Zur Kur an den Nil

Die Ägyptenreise von Max und Otto Meyerhof im Winter 1900/01

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"Zur Kur an den Nil" ist die kommentierte Edition eines Reisetagebuchs vom Winter 1900/01 aus den Archivbeständen des Deutschen Archäologischen Instituts Kairo. Es stammt von dem deutsch-jüdischen Augenarzt und Orientalisten Max Meyerhof (1874-1945), der mit seinem jüngeren Verwandten Otto Meyerhof (1884-1951), dem späteren Nobelpreisträger für Medizin, aus gesundheitlichen Gründen für fünf Monate nach Ägypten reiste. Nach einem sechswöchigen Aufenthalt im damals renommierten Kur- und Badeort Heluan bei Kairo ging es über Luxor weiter nach Assuan. Neben den medizinischen Anwendungen blieb ausreichend Zeit, um neugierig in dieses fremdartige, so exotisch wirkende orientalische Umfeld einzutauchen. Das Tagebuch beschreibt das Gesehene und Erlebte in einem äußerst lebendigen und unterhaltsamen Stil, entspricht jedoch dem eurozentrischen Duktus jener Epoche, einer ambivalenten Mischung aus Faszination und (ab)wertender Distanz. Verglichen mit Zitaten aus zeitgenössischer Reiseliteratu
r, deren Ton von überheblich und geringschätzig bis hin zu deutlich rassistisch eingefärbten Äußerungen reicht, können Meyerhofs Bemerkungen eher als gemäßigt eingestuft werden. Sicher auch, weil ihm als Augenarzt die Zusammenhänge zwischen dem allgegenwärtigen Schmutz und den zahlreichen Augenleiden bewusst waren, die Ägypten für Jahrhunderte den Beinamen "Land der Blinden" eintrugen. Er knüpft Kontakte zur einheimischen Ärzteschaft und wird sein weiteres Leben der Linderung dieser Plage widmen. Die diversen Reisebekanntschaften umfassen prominente Personen wie beispielsweise Karl Neufeld (1856-1918), der als Gefangener des Mahdi Schlagzeilen machte, oder Mohareb Todrous (ca. 1847-1937), den deutschen Konsularagenten und Antiquitätenhändler in Luxor. Durch seinen Vetter Wilhelm Spiegelberg (1870-1930) bringt Meyerhof nicht nur archäologisches Grundwissen mit, er kennt auch den Altmeister der Afrikanistik Georg Schweinfurth (1836-1925), der unter anderem das Wüstengebiet um Heluan
kartographiert hat. Sie werden in eigenen Recherchekapiteln näher beleuchtet, ebenso wie der in Kairo ansässige Hoffotograf Paul Dittrich (1868-nach 1934), der deutsche Bierwirt August Gorff (1835-um 1902) und die beiden Stangenschen Reisebüros in Berlin, die als starke Konkurrenten von Thomas Cook das Land am Nil touristisch erschlossen. Bewusst populär-wissenschaftlich geschrieben verfolgt der reich illustrierte Band gleich zwei Ziele: altes Material aus vergangener Zeit mit "Infotainment" zu neuem Leben zu erwecken und dabei zu zeigen, wie Ereignisse und Menschen - heute wie damals - miteinander verwoben sind. Umfangreiche Literatur- und Archivangaben sowie zwei Indices ermöglichen weitere Recherchen.

Isolde Lehnert, M.A., Jahrgang 1958, hat neben ihrer Tätigkeit als Diplombibliothekarin in Heidelberg ein Studium der Ägyptologie, Vorderasiatischen Archäologie und Ethnologie absolviert. Seit 2003 leitet sie die Bibliothek und das Archiv des Deutschen Archäologischen Instituts Kairo. Zu beiden Arbeitsbereichen hat sie Aufsätze veröffentlicht, so etwa zur Geschichte der dortigen Gelehrtenbibliothek des Ägyptologen Ludwig Keimer (1892-1957) und dessen exzellente Sammlung von Reiseberichten über Ägypten und den Orient.

"Insgesamt ist diese Edition überaus überzeugend, sowohl hinsichtlich der editorischen Bearbeitung als auch der aufwändig bearbeiteten und hochwertigen ca. 260 Abbildungen, die vielfach zum ersten Mal abgedruckt sind, darunter zahlreiche Zeichnungen, Gemälde und Fotografien aus Archiven sowie zeigenössische Stadtpläne, Reiseprospekte, Reklamemarken und Postkarten, die gerade auch von deutschsprachigen Künstlern stammen. Damit leistet das editierte Tagebuch Einsichten, die über einfache Reiseberichte hinausgehen Es ist eine Quelle zum Verständnis der deutschen Ägyptenfaszination und des Alltagslebens Deutscher am Nil um 1900."

Von Alina Dittmann
In: H-Soz-Kult, 29.10.2018 unter www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-29077
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